Pension Eintracht von Cornelia Naumann München
Pension Eintracht

Schauspiel

1D, 7H, 1Dek.

Sieben alte Männer und ein Mädchen – das Schnee­wittchenmotiv, einmal anders:
In einer Pension mit dem schönen Namen Eintracht leben seit Jahren sechs Gäste und ihr Wirt.
Die Männer sind pensioniert oder stehen kurz davor. Ihren leeren einsamen Alltag gestaltet das Abpacken und Sortieren von Kerzen nach Farben, Heimarbeit in der Pension. Am Tag von Tonis Pensionierung erwartet Leo, der Wirt, seine neue Köchin. Zita kommt aus Albanien. Und nun geschieht es - nichts. Scheinbar nichts. Nichts Außergewöhnliches, nichts Besonderes, etwas Alltägliches: die sieben alten einsamen Männer beginnen, jeder auf seine Art, um die junge Frau zu buhlen. Harmlos, hilflos, greisenhaft, aber aufdringlich und unausweichlich.
Dann geschieht es:

Die Ereignisse, denen die junge Frau auf ihrer Flucht ausgeliefert war, waren zu gewaltig, der Preis, den sie für die Freiheit zahlen mußte, war zu hoch. Die scheinbar harmlosen Zudringlichkeiten der alten Männer sind der Tropfen, der das Fass zum über­laufen bringt: die junge Frau überlebt sie nicht.
Keiner – oder vielleicht Toni? – versteht, was geschehen ist.

Wer sind wir füreinander? Wissen wir, wer der andere ist?

Leseprobe

 
Wirt:Sprich, Zita! Sprich!
 Zita Schweigt. Angst
Wirt:Sprich. Nun mach schon.
Zita:Zur Pensionierung wünscht
Wirt:Die Pension Eintracht
Zita:Die Pension Eintracht alles
Wirt:Alles Gute
Zita:Alles Gute sowie Glück und Gesundheit im Ruhestand.
 Pause. Dann Beifall.
Gustav:Das war charmant, Madame.
Franz:Ausgezeichnet. Sie spricht.
Wirt:Hab ich ihr beigebracht.
Peter:Mein Fräulein, wir sind entzückt. Vielleicht haben Sie eine Geschichte zu erzählen?
Remo:Alte Geschichten, Signorina, immer jede Tag alte storias. Neue wär schön, was
Toni:Mein Fräulein, ich danke Ihnen für diese große Freude. Wissen Sie wirklich eine Geschichte? Aber es muß nicht sein, wissen Sie.
Zita:Es war schwarz, alles war schwarz, ein schwarzes Nichts, nur das Rollen der Räder hörte ich in meinen Kopf hineinhämmern. Ich weiß jetzt wie sich Schwarz anfühlt. Schwarz ist heiß und feucht wie eine riesige Qualle die sich über mich stülpt. Schwarz ist die qualvolle Enge des Schlachtviehs, da gibt es kein Entkommen. Wir rollen der Freiheit entgegen, flüsterte einer, ich war nicht allein. Ich spürte die Enge des Wagens, der keinen Luftzug einließ, ich spürte das Rollen der Räder, das monotone Vibrieren des Motors unter mir, ich spürte das grauenhafte Schwarz. Ich spürte das Atmen der Leiber um mich, kindlich flach der junge, rasselnd verzweifelnd ein alter Atem, der duftende Atem einer Frau neben mir, das Keuchen eines Kindes das vor Entsetzen längst aufgehört hatte zu schluchzen. Wie lange? Ich weiß nicht wie lange der stickige Atem der anderen mir entgegen schlug, als das Schwarze nach mir griff, seine Krallen in meinen Nacken bohrte und mir seinen Mantel umwarf und mich drohte zu ersticken. Ich spürte Hände, Leiber, Füsse der anderen, hörte sie ihre Notdurft verrichten, rollendes Schwarz, ich atmete und versuchte die Krallen abzuschütteln, keine Panik, Sauerstoff will ich, blaue Helle des Sauerstoffs, lichte Höhe des Himmels ... Aber da war nichts weil die Dunkelheit des Atems nicht zu greifen ist ...
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