„Fehler dieser Anschlag. Dumm gelaufen.“
"Aufrüttelnde Premiere von „Rammjäger“: Endlich ein Vorbild, endlich Orientierung
Sie schreit und tobt schon, bevor sie die Bühne betritt: Marie Schütte alias Ramona, eine junge, blonde Frau im Trainingsanzug, meint, sie hätte „nix gemacht“. Dabei war sie an dem Anschlag auf eine jüdische Synagoge beteiligt, im Kampf für ihr großes Vorbild, den „Führer“. Jetzt, in der Jugendstrafanstalt, markieren vier weiße Wände ihr Territorium. Mit Kreide malt die junge Frau den Raum auf den schwarzen Bühnenboden. Wenn sie in ihrem imaginären Bett liegt, wirkt sie plötzlich ganz klein. ... Ramonas Geschichte glaubt man sofort. Da wird ein Mädchen jahrelang vom Stiefvater mißbraucht, die Mutter hat keine Zeit für sie, beruflich bleibt nur die Friseurlehre. Irgendwann nimmt der Bruder sie mit zu einem Treffen seiner rechtsradikalen Vereinigung, und Ramona verliebt sich in Martin, den Anführer. „Die hatten richtig Respekt vor ihm“, erzählt die junge Frau mit leuchtenden Augen, und dass er sie „Blitzmädel“ nannte. Die gemeinsame Parole – „Unsere Ehre heißt Treue“ – hat sie begeistert, ebenso wie die Rammjäger, deutsche Jagdflieger, die sich im Zweiten Weltkrieg opferten, um amerikanische Bomber zum Absturz zu bringen. Jetzt nennt sie sich selbst Rammjägerin: Endlich ein Vorbild, endlich Orientierung in einem Leben, das bis dato nur frustrierte. „Rammjäger“ ist ein spannendes Stück, gibt es doch Einblick in Prozesse, die hinter einer wie auch immer gearteten Radikalisierung stecken können. Cornelia Naumann verurteilt nicht, sondern nimmt die Gesellschaft in die Verantwortung.
Carola von Seckendorffs Inszenierung geht auf, wenn sie das Publikum zum Ansprechpartner macht für diesen jungen Menschen, der sich durch Gewalt selbst zu erhöhen sucht. In Marie Schütte hat sie eine Darstellerin gefunden, die überzeugt, wenn sie mal frustriert, klein und traurig, mal flammend vor Begeisterung auf der Bühne steht. "
Isabell Steinböck